Peter Fenkl: „Wir lassen uns von Corona nicht einschüchtern”
Peter Fenkl ist Vorstandsvorsitzender des global agierenden Elektromotoren- und Ventilatorenherstellers Ziehl-Abegg. Mit ihm über die Internationalisierung mittelständischer Industrieunternehmen zu sprechen – das ist immer aufschlussreich. Und wir haben das schon mehrfach getan, zuletzt im Oktober 2020. Fenkl erwartete, dass sich das Unternehmen in der Corona-Krise behaupten könne. Ziehl-Abegg vermeldet jetzt für 2020 eine Umsatzsteigerung um rund 1 Prozent auf 639 Mio. Euro. Wie das Unternehmen mit den Corona-Herausforderungen umgeht, war Thema unseres Interviews. Wir haben es für den Jahresbericht der chinesischen Investitionsagentur CIIPA geführt. In China hatten die Teams von Ziehl-Abegg zur rekordverdächtigen Bereitstellung des Ersatzkrankenhauses in Wuhan beigetragen.
Wie sieht es mit der Bewältigung von Covid-19 im Unternehmen aus?
In der Firma selbst hat sich nach unserer Kenntnis weltweit keine einzige Infektion zugetragen. Dafür haben wir gerade in den ersten Wochen und Monaten einen hohen Aufwand betrieben. Außer beim Lockdown in Indien hatten wir auch nirgendwo wirkliche Produktionsunterbrechungen. In China haben wir im Lockdown mit Sondergenehmigung Ventilatoren für Wuhan produziert. Auch die notwendige weltweite Logistik konnten wir komplett aufrechterhalten. Dadurch haben wir auch wirtschaftlich nicht allzu tiefe Einschnitte zu verzeichnen.
Wie sehen dabei die Perspektiven für 2021 aus?
Es bleiben viele Unsicherheiten im Markt, auch von den weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen her. Aber wir planen im nächsten Jahr wieder mit einem leichten Wachstum. Natürlich haben wir die Hoffnung, dass sich zumindest in der zweiten Jahreshälfte die Corona-Situation beruhigt.
Wie bewerten Sie denn die Diskussion um die “Deglobalisierung”?
Das, was wir an internationalen Wertschöpfungsketten haben, halten wir aufrecht. Wir haben die Beschaffung weitgehend diversifiziert, sind also nicht von Single Sources abhängig. Was unsere Produktion in China betrifft, so fertigen wir dort bis auf Teile unserer Antriebstechnik bereits weitgehend nur für den lokalen Markt, durch den die Werke dort auch ausgelastet sind. Ich sehe die Deglobalisierungsdebatte ein wenig kritisch. Denken Sie an die kleinen elektronischen Komponenten – das sogenannte “Hühnerfutter” – die gibt es praktisch nur aus Asien, die muss ich von dort beziehen.
Wer eine Kernkomponente, von der das Wohl und Wehe einer ganzen Produktlinie abhängt, einem Lieferanten überlassen soll, braucht Vertrauen.
Können digitale Plattformen die starke Präsenz bei den Kunden ersetzen?
Die fehlende Reisetätigkeit ist eine große Einschränkung. Für den Einkauf wie für den Verkauf gilt, dass der Austausch technischer Spezifikationen zwar über digitale Plattformen abzubilden ist. Das hat aber eine Grenze – dort, wo der Kunde Vertrauen aufbauen muss. Wenn er eine Kernkomponente, von der das Wohl und Wehe einer ganzen Produktlinie abhängt, einem Lieferanten überlassen soll, braucht er Vertrauen. Und das ist mehr als passende Technik und guter Preis. Bei tiefer Technikkooperation gibt es noch ein weiteres Moment, für das die deutsche Sprache ein schönes Wort hat: das Begreifen. Das heißt Anfassen und Verstehen. Wenn Ingenieure vor Ort Probleme und Lösungen gemeinsam erarbeiten, wenn Besucher – übrigens ganz auffallend männliche Besucher – auf Messen unsere Ventilatoren studieren, dann legen sie im Wortsinn Hand an die Produkte an. Abstraktes Verständnis reicht anscheinend nicht aus.
Was bedeutet die Einschränkung der Reisetätigkeit für Sie bei der Steuerung des Unternehmens?
In diesem Herbst hat die zweite Welle in der Tat alle Planungen, wenigstens einige der europäischen Standorte zu besuchen, zunichtegemacht. Aber unser Unternehmen ist eine reife Organisation, in dem man sich auch blind versteht, fast so wie in einer Fernehe.Ginge Corona aber drei Jahre, wäre das ein wirkliches Drama für die guten persönlichen Beziehungen. Sie sind ja die Ursache dafür, dass wir kaum Fluktuation bei den Führungskräften und eine oft schon jahrzehntelange Stabilität in unseren Kundenbeziehungen haben. Natürlich helfen Videokonferenzen – als Mittel eines kooperativen Führungsstils, der bereits auf wechselseitigem Vertrauen basiert. Einem Vertriebsmitarbeiter in Sydney oder Melbourne wirklich nahe zu sein, dazu muss man ihn aber schon irgendwann mal wieder sehen. Zusammen Musik hören, etwas zusammen trinken, über die Familie reden… Mir sind die reinen Videomeetings mit ihren strengen Tagesordnungen einfach zu steril.
Fehlen Ihnen auch die Messen?
Auf unsere erste, notwendigerweise digitale Weltleitmesse haben wir uns in intensiven Diskussionen monatelang vorbereitet, viele Konzepte entwickelt und wieder verworfen. Wir wollten auf keinen Fall eine Einwegkommunikation und digitalen Frontalunterricht. Mit Dialog, Frage-Antwort-Spielen, kontroversen Diskussionen wollten wir eine neue Atmosphäre der Auseinandersetzung schaffen. Wir haben dafür ein gutes Feedback bekommen – aber dennoch hat uns etwas gefehlt. Aber vielleicht sind wir ewiggestrig. Die Jungen schaffen doch es tatsächlich, über digitale Medien Beziehungen aufzubauen, wie sie es im Privaten ja auch schaffen. Wir werden also mit Sicherheit verändert aus dieser Corona-Krise herausgehen, stärker digitalisiert. Allerdings auch vielleicht nüchterner, steriler.
Haben Sie ihr Produktportfolio während Corona verändert?
Die Belieferung des mobilen Krankenhauses in Wuhan mit Ventilatoren war im Februar ein wichtiges Ereignis bei uns. In der Zwischenzeit haben mobile Ventilatoren und kleine Filtereinheiten für die Luftreinigung eine ganz neue Bedeutung bekommen. Wir haben wirksame Komponenten, die gut nachgefragt sind. Wir bedienen diesen Markt, den es vor wenigen Monaten gar nicht gab und von dem wir auch nicht wissen, wie nachhaltig er sein wird. Es ist zudem ein Markt, auf den wir extrem schnell reagieren mussten. Und das auch konnten. Das hat schon einige der Projekte kompensiert, die von Kunden zunächst zurückgestellt wurden.
Mitten in der Corona-Krise haben wir den Grundstein für ein neues Gebäude gelegt. Eine neue Fabrik bauen, ist ein Zeichen. Wenn die Märkte zurückkommen, wollen wir vorbereitet sein.
Was bedeutet China im Corona-Jahr für Sie?
Ich fand die Art und Weise, wie – abgesehen vielleicht von den ersten Wochen – die Chinesen die Sache angegangen sind, hochgradig professionell und konsequent. Geschlossene Schulen von Februar bis August ist eine der Maßnahmen, die hier großen Widerstand hervorgerufen hätten. Nicht nur für uns hat sich der Markt sehr gut erholt. Wir sind weltweit darum mindestens in Augenhöhe, wenn nicht sogar über dem Umsatz des Vorjahres. In China haben wir über das ganze Land verteilt dreizehn Offices, damit wir kurze Wege zu unseren Kunden haben. Wir haben dort eine Produktion mit 500 Mitarbeitern. Wir haben in China ein Unternehmen im Unternehmen – mit der Infrastruktur und den Kollegen im Management, mit denen wir mehrmals täglich im Kontakt sind. Der Vorsitzende der Geschäftsführung ist bei uns seit 18 Jahren an Bord und wir sind mit der Situation nach Corona sehr zufrieden. Südostasien sah für uns weit schwieriger aus.
Wie planen Sie für eine Zeit nach Corona?
Zunächst stehen wir hier als lokales Unternehmen auch in der Pflicht, den Kampf gegen die Pandemie auch hier bei uns Landkreis zu unterstützen. Was die Behörden tun, das tun sie auch für uns. Darum haben wir auch Mitarbeiter abgestellt, die das Gesundheitsamt bei der Nachverfolgung von Kontakten unterstützen.
Wir werden sehen, ob es einen Modus vivendi, einen neuen Normalzustand nach Corona geben wird. Reisen und Urlaube werden sicher schwierig bleiben. Aber den Kopf in den Sand zu stecken – das ist nicht unsere Vorgehensweise. Mitten in der Corona-Krise haben wir den Grundstein für ein neues Gebäude gelegt. Das sollte eigentlich schon im März stattfinden. Wir haben nur drei Monate verschoben. Eine neue Fabrik bauen, das ist ein Zeichen. Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir wollen nach Corona, wenn die Märkte zurückkommen, vorbereitet sein.