Hui Zhang „Unsere Kunden in Europa sind offen für Innovationen”

Hui Zhang, Group Vice President von NIO über die Pläne des Herstellers in Europa

„Unsere Kunden in Europa sind offen für Innovationen”

Warum hat sich NIO schon ein Jahr nach seiner Gründung für Deutschland als ersten Auslandsstandort entschieden?

Es gab mehrere Überlegungen. Erstens ist Deutschland ein bedeutendes Automobilland und verfügt über eine Vielzahl qualifizierter Fachkräfte; zweitens gehört München bei der Lebensqualität zu den fünf besten Städten der Welt. Das war für uns als junges chinesisches Unternehmen damals ein wichtiger Anreiz. Drittens geht es sich um Lieferketten. Neben der Aufgabe eines Designzentrums haben wir noch die Funktion, gemeinsam mit unseren Lieferanten neue Produkte zu entwickeln und Projekte zu managen. Wir haben zahlreiche Partner in Süddeutschland. Das gesamte Unternehmen ist mit dieser Entscheidung, sich in München anzusiedeln, sehr zufrieden. Als ich 2016 zum ersten Mal nach Deutschland kam, hatten wir hier nur ein Dutzend Mitarbeiter; jetzt sind wir auf mehr als 100 angewachsen und unsere Investitionen haben sich vervielfacht.

Warum aber wurde Norwegen als erster Absatzmarkt ausgewählt?

Norwegen für Chinesen ist an sich nicht sehr groß. Aber wir haben wir überlegt, ob wir überhaupt in Europa einsteigen wollen. Wir sind der Meinung, dass Europa der drittgrößte Automarkt der Welt ist und sogar der zweitgrößte, was den Absatz von Premium-Automarken angeht. Wo sollten wir also in Europa beginnen, in Deutschland, wo wir seit einigen Jahren tätig sind, oder in Norwegen? Für Norwegen sprach, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits die höchste Marktdurchdringung von Elektroautos bzw. umweltfreundlichen Autos in der Welt hat – mit über 90 Prozent bis Ende 2021, was kein anderes Land erreicht hat. Zweitens ist NIO als Premium-Automarke positioniert. Norwegen ist mit einem Pro-Kopf-Einkommen, das nach Angaben der OECD etwa doppelt so hoch ist wie das in Deutschland, durchaus in der Lage, Premium-Produkte nachzufragen. Drittens unterstützt die norwegische Regierung die Elektromobilität sehr stark und bietet ständig Anreize für den Kauf, die Nutzung sowie das Laden der Fahrzeuge. Viertens hat Norwegen auch eines der besten Ladenetze in Europa.

Die Akzeptanz für unser Modell “Battery as a Service” ist in Europa überraschenderweise sehr hoch, teilweise sogar höher als in China

NIOs Power-Swap-Technologie hat die Reichweite und Akzeptanz von Elektrofahrzeugen stark verbessert. Was sind Ihre Pläne für Europa?

Eines der wichtigsten Alleinstellungsmerkmale von NIO ist die Power-Swap-Station, die nicht nur eine technologische Innovation, sondern auch ein innovatives Geschäftsmodell in Kombination mit NIOs BaaS (Battery as a Service) dastellt.

Bis heute hat NIO mehr als 900 Power-Swap-Stationen in China in Betrieb und hat seine erste Wechselstation in Norwegen gebaut. Was wir in Norwegen zeigen wollten, ist das NIO-Servicesystem, das sich in China durchgesetzt hat und in Zukunft auch in Europa eingeführt werden wird. Es ist natürlich auch vorstellbar, in Deutschland Power-Swap-Stationen zu bauen.

Nach unseren Erfahrungen in Norwegen besteht die Herausforderung in erster Linie in den vielen Verfahren, die für die Einrichtung der Power-Swap-Stationen erforderlich sind, da es in Europa noch nicht eine so große Anzahl von Wechselstationen gibt. Wir müssen also zunächst die notwendige Kommunikation mit den zuständigen Behörden führen, wie dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) oder der Kfz-Zulassungsbehörde. Wir müssen vorstellen, was eine Power-Swap-Station ist, was sie kann, welche Vorteile sie den Kunden bringt und welche Auswirkungen sie haben kann. Zweitens sind für den Bau einer Power-Swap-Station auch verschiedene Genehmigungen notwendig.

Wir brauchen nicht nur eine Genehmigung auf Bundesebene, sondern auch auf kommunaler Ebene, denn es geht um Baugenehmigungen, Lärmschutz, Brandschutz, Umweltschutz und viele andere Fragen. Drittens soll die neue Technologie der Swap-Station in der Gesellschaft Akzeptanz finden. Wir hoffen, dies durch den Bau der ersten Stationen schrittweise zu erreichen. Schließlich ist es schwierig, geeignete Orte für den Bau der Power-Swap-Situationen zu finden. Wir versuchen jetzt aktiv, durch alle unsere Kanäle Partner zu finden.

Kann NIO auf dem europäischen Markt mit seiner ganz anderen Besonderheiten den Erfolg China fortsetzen?

Es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen, welches Geschäftsmodell wir in Deutschland anwenden werden, aber ich kann Ihnen von einem Beispiel Ende September letzten Jahres in Norwegen berichten. Vom E-Auto über die Power-Swap-Station bis hin zum NIO-Zentrum haben wir dort ein komplettes NIO-Service-System eingerichtet und bisher sehr positive Rückmeldungen erhalten. Unser NIO-Zentrum ist nicht nur ein Showroom, sondern eine Community von Nutzern. In Oslo, das keine sehr große Stadt ist, haben wir es geschafft, an einem Wochenende mehr als 8.000 Besucher zu empfangen. Wir freuen uns schon auf proportional mehr Besucher in Deutschland.

Für die Akzeptanz des NIO-Geschäftsmodells bei europäischen Kunden ist es unser BaaS-Modell (Battery as a Service) sehr wichtig. Dieser Service bedeutet, dass die Kunden beim Kauf eines Autos keine Batterie kaufen müssen, sondern sie gegen eine monatliche Gebühr mieten können. Überraschenderweise ist die Akzeptanz des BaaS-Modells in Norwegen sehr hoch, teilweise sogar höher als in China. Dies zeigt, wie offen die Kunden in Europa für Neues sind. Ich bin daher sicher, dass sich unsere Produkte und Dienstleistungsmodelle wie das NIO-Zentrum und die Power-Swap-Stationen in Europa einen breiten Markt finden werden.

Welchen Rat hat NIO als Vorreiter im Auslandsgeschäft für andere chinesische Unternehmen, die Auslandsgeschäfte planen?

Erstens muss eine vollständige Strategie auf Konzernebene entwickelt werden: Warum wollen Sie im Ausland Geschäfte machen? Was wollen Sie erreichen? Was ist Ihre Blaupause? Diese Struktur muss gut konzipiert sein. Der zweite Punkt ist, dass man nach der Festlegung der Strategie der Markterschließung geduldig sein muss. Denn wenn chinesische Unternehmen in die Auslandsmärkte eintreten, müssen wir große Anstrengungen unternehmen, um das Markenimage vor Ort zu etablieren. Der dritte Punkt ist der sorgfältige Aufbau eines kompetenten Teams aus internationalen und lokalen Mitarbeitern, was für die taktische Umsetzung wichtig ist. Die Lokalisierung kann nur dann besser gelingen, wenn wir ein Team mit echtem lokalem Wissen zusammenstellen.

Was sind kurzfristig, mittel- und langfristig die Ziele von NIO in Europa?

Unser Unternehmen wurde mit dem langfristigen Ziel gegründet, die höchste Kundenzufriedenheit zu erreichen, egal ob in der Automobil-, Konsumgüter- oder in anderen Industrien. Das ist der Zweck unserer Existenz.

Was die mittel- und langfristigen Pläne in Europa betrifft, so wollen wir erstens stufenweise in den europäischen Markt eintreten. Zweitens hoffen wir, dass wir auf der Grundlage unserer technischen Stärke bei der Produktqualität, bei der vernetzten Intelligenz und im autonomen Fahren ein klares Markenkennzeichen aufbauen können. Drittens müssen wir das Vertriebs- und Servicenetz von NIO aufbauen, was vor allem in Europa nicht in kurzer Zeit zu schaffen ist. Längerfristig glauben wir, dass NIO ein wichtiger globaler Branchenplayer bei intelligenten Elektroautos werden wird. Das ist es, was wir von uns selbst verlangen und was wir für das gesamte Team anstreben.

15.12.2022
von Editorial Team
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