Prof. Juray Sinay: “Kooperation zwischen Unis und Betrieben nötig”

Prof. Juraj Sinay ist der Präsident des slowakischen Automobilverbands ZAPSR. In seiner jahrelangen Tätigkeit als Professor an der Technischen Universität in Kosice und als Ehrendoktor an der Wuppertaler Universität setzte Juraj Sinay sich stark für den internationalen Bildungsaustausch ein. Im Interview mit local global spricht er über Ausbildungsmaßnahmen – , Möglichkeiten und Verbesserungen hinsichtlich der Arbeitnehmerförderung durch Unternehmen.

Welche Rolle spielt die berufliche Bildung für die zukünftige Entwicklung der slowakischen Automobilindustrie?

Meiner Meinung nach spielt die berufliche Bildung eine strategische Rolle. Die hohe Anzahl an Automobilherstellern und Zulieferern hat bereits einen Mangel an Arbeitskräften und vor allem an Fachkräften zur Folge. Es ist unentbehrlich für den Staat sich mehr der beruflichen Ausbildung der Jugend zu widmen. Ohne die Bildung der nächsten Generationen besteht keine Chance für den weiteren Erfolg des Automobilsektors in der Slowakei. Vor allem neu angesiedelte Unternehmen sind auf eine gute Ausbildung von Fachkräften angewiesen, um den Bedarf an Arbeit zu decken.

Welche Erfahrungen hat die Slowakei mit der dualen Ausbildung gemacht?

Das Gesetz über die duale Ausbildung wurde erst im März 2015 verabschiedet. Innerhalb der letzten Monate konnten noch nicht viele Erfahrungen mit der neuen dualen Ausbildungsform gesammelt werden. Dennoch ist es ein Fortschritt, dass das Gesetz nun überhaupt eingeführt wurde. Die Automobilindustrie unterstützte die Einführung, da wir sehr an an dieser Bildungsform interessiert sind. Leider hat die Praxis gezeigt, dass es noch viele Schwachstellen gibt und dass sie dringend revidiert werden muss.

Spezifische Prozesse bleiben erhalten, digitale Modifikationen müssen entwickelt werden

Stichwort “Industrie 4.0” – Wie wichtig ist die Digitalisierung für die Automobilindustrie und wie wird die Ausbildung dadurch beeinflusst?

Industrie 4.0, die Digitalisierung, das “Internet der Dinge” ist schon lange ein fester Bestandteil der Automobilindustrie. Angefangen bei der Materialplanung, bis hin zur Herstellung, sowie die Rückkoppelung und Reparatur der Autos. Der Prozess der Digitalisierung ist in der Automobilherstellung sehr schnell voran gegangen. Wir haben zwar schon spezielle Ausbildungsberufe eingeführt, wie Mechatronik, wobei IT und Maschinenbau verbunden werden. Aber die Ausbildung wird noch intensiver in Richtung der IT-Anwendungen gehen. Trotzdem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Hestellungsprozess immer ein klassischer Vorgang ist. Metalle sollen verarbeitet werden, Montagen werden durchgeführt, Karosserien müssen lackiert werden. Das heißt, die spezifischen Prozesse bleiben erhalten. Dazu müssen die entsprechenden digitalen Modifikationen entwickelt werden und die Erfahrungen den nächsten Generationen weiter  gegeben werden. Darin besteht wohl die größte Herausforderung für die Industrie.

Wie soll/ wird die Zusammenarbeit von staatlichen Bildungseinrichtungen und privaten Unternehmen sein?

Der Staat ist für die Ausbildung der Gesellschaft zuständig, egal in welchem Land. Nur stellt sich die Frage, wie die Anforderungen an den Staat mit dem Bedarf der Industrie vereinbar sind. Gerade wenn die Sprache auf die Slowakei kommt, wurde diese Verbindung in den letzten Jahren stark vernachlässigt. Das neue Gesetz zur dualen Ausbildung veranschaulicht genau, welch eine wichtige Rolle der Staat bei der Ausbildung spielt. 80 Prozent der slowakischen Unternehmen sind in ausländischem Besitz, somit muss auch mit den Mutterkonzernen gesprochen und eine Einigung gefunden werden. Der Hauptteil der beruflichen Ausbildung findet in der Industrie statt, es müssen mehr Diskussionen und Einigungen zugunsten der zukünftigen Generationen geführt werden.

Bildungsinstitutionen, Unternehmen und der Staat müssen ein Dreieck bilden

Welche Rolle spielen dabei überbetriebliche Einrichtungen?

Die überbetrieblichen Einrichtungen müssen in erster Linie genau wissen, worin die Kompetenzen der Auszubildenden bestehen. Dafür ist ein ständiger Dialog mit den Unternehmen und dem Staat unabdingbar. Um die Bildung und Lehrmaßnahmen zu optimieren, sollten außerbetriebliche Institutionen, Unternehmen und der Staat ein Dreieck bilden und sich im stätigen Austausch über Bildungsmaßnahmen befinden. Dabei muss beachtet werden, was die Industrie braucht und wie Lehrlinge am besten gefördert werden können.

Wer sollte diese Einrichtungen betreiben?

Am besten wäre es, wenn Industrie- und Handelskammern solche Einrichtungen betreiben würden. Durch die Mitgliedschaft der Unternehmen wird eine hervorragende Plattform geschaffen, um die Interessen der Betriebe zu bündeln. In der Slowakei ist dies sehr schwierig, da es solche Kammern nicht gibt, in denen eine Pflichtmitgliedschaft per Gesetz besteht. Die slowakischen Verbände sind aber stark daran interessiert, ähnliche Institutionen zu gründen. Wie hier  die genaue Entwicklung sein wird, lässt sich leider noch nicht voraussagen.

Wie ist Ihre Meinung zu grenzüberschreitenden Austauschprogrammen wie Erasmus+?

Das war jahrelang mein Gebiet, wofür ich mich in meiner Zeit als Hochschulprofessor engagiert habe. Ich finde dieses Programm sehr hilfreich, schade ist aber, dass dadurch nur einer begrenzten Anzahl an Studierenden die Möglichkeit eines Austausches geboten wird. An großen Universitäten, mit z.B.10 000 Studenten, können aus finanziellen Aspekten nur rund 100 an Programmen wie Erasmus+ teilnehmen. Das ist sehr wenig. Ich plädiere darauf, dass solche Austauschprogramme auf multilateraler Ebene entwickelt und verbessert werden. Die Möglichkeit für Studenten, ein paar Monate oder ein Semester im Ausland Erfahrungen zu sammeln, ist von enormem Vorteil für ihre Zukunft. Deshalb befürworte ich Konzepte wie Erasmus + sehr.

Wie sehen Sie die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Bildungsstufen?

Hierbei sollte beachtet werden wie die Verbindung zwischen Bachelor und Master geschaffen werden kann. In Westeuropa ist die Bachelorausbildung ähnlich der Fachhochschulausbildung. In Osteuropa gab es so etwas nicht. Die Strukturen der Hochschulausbildungen in Europa waren sehr unterschiedlich. Ich sehe die Durchlässigkeit in Westeuropa sehr leicht, viele Studenten sind an dieses System bereits gewöhnt und streben nach dem Bachelor an, den Master zu absolvieren. Anhand der verschiedenen Bildungsstrukturen lässt sich dafür keine eindeutige Aussage treffen. Für die Durchlässigkeit zwischen den Schulen und anschließendem Studium oder Ausbildung sehe ich kein Problem, da auch für osteuropäische Schulabgänger die Möglichkeit besteht im Ausland zu studieren.

Wie können kleine, mittelständische Unternehmen und Zulieferer ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern?

Kleine und mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat der Industrie, vor allem in der Automobilbranche, ohne Zulieferer könnten die Hersteller kein Produkt fertigen. Mit der Nachfrage nach einem qualítativ hochwertigen Produkt, werden wiederum Zulieferer und Hersteller beaufragt. Die Zukunft für kleine und mittelständische Unternehmen sehe ich sehr positiv. Deutschland ist ein gutes Beispiel dafür: 86 Prozent des Bruttosozialprodukts werden alleine von kleinen und mittelständischen Unternehmen erzielt.

Welche Art von Weiterbildungsmöglichkeiten können kleine und mittelständische Unternehmen ihren Angestellten bieten?

Das hängt davon ab, wie die Weiterbildung in jedem einzelnen Land gestaltet wird. Die Weiterbildung kann auch ein Interessengebiet der Hochschulen und privaten Gesellschaften sein. Dies gilt auch für Unternehmen und Großkonzerne, die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter kann nur von produktivem Vorteil sein. Ich, als ehemaliger Hochschullehrer würde empfehlen Weiterbildungsangebote an Universitäten in Kooperation mit den Betrieben zu gründen. Natürlich muss sich, wie bereits erwähnt, auch der Staat darum kümmern, aber nicht alleine. Dies ist die Aufgabe von Staat, Betrieben und Bildungseinrichtungen hierbei an einem Strang zu ziehen.

Vielen Dank für das Interview, Prof. Sinay!

 

Über Prof. Juraj Sinay:

Der Professor lehrte jahrelang an der technischen Universität in Kosice und war Vize-Rektor für Außenbeziehungen und Marketing an der TU. Eine besondere Verbindung hat er zur Stadt Wuppertal. An der wuppertaler Universität war Sinay Mitarbeiter im Fachbereich Sicherheitstechnik und wurde schliesslich zum Ehrendoktor der Bergischen Universität ernannt. Sein besonderes Engagement galt der Städtepartnerschaft Kosice-Wuppertal. Als Promotor unterstützte er intensiv die deutsch-slowakische Hoschulpartnerschaft. Seit 2015 ist Prof. Sinay Präsident des slowakischen Automobilverbandes. Der Verband mit seinen über 160 Mitgliedern vertritt mehr als 65.000 Arbeitnehmer der slowakischen Automobilindustrie. In keinem Land weltweit werden mehr Autos pro Kopf gebaut wie in der Slowakei, auf 1000 Einwohner kommen 178 Fahrzeuge.

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19.01.2016
von Editorial Team
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