Julia Braune – Vorsitzende der Geschäftsführung der Gesellschaft für Internationale Wirtschaftsförderung Germany Trade & Invest (GTAI) – über die Diversifizierung
Wie wirkt sich die Diversifizierung inmitten des russischen Krieges gegen die Ukraine auf die Förderung der größten Volkswirtschaft der EU aus? Julia Braune, die kürzlich zur Vorsitzenden der Geschäftsführung der deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft Germany Trade & Invest (GTAI) ernannt wurde, hat einige Antworten.
Frau Braune, seit den Unterbrechungen der Lieferketten durch die Coronavirus-Pandemie und Russlands Angriff auf die Ukraine ist Diversifizierung weltweit zu einem Schlagwort geworden. Wie ist die Situation in Deutschland?
Julia Braune: Je größer und komplexer die Wirtschaft eines Landes ist, desto mehr muss es vermeiden, sich in eine zu große Abhängigkeit von einzelnen Partnern zu begeben, seien es Lieferanten oder Märkte.
Diese Lektion wurde nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine besonders deutlich, als die Importe von russischem Erdgas nach Deutschland politisch unhaltbar wurden und ganz ausfielen. Es ist beeindruckend, wie erfolgreich Deutschland bisher reagiert hat. Die in der Presse oft gezeichneten Schreckensszenarien von großen Gasengpässen sind nicht eingetreten. Deutschland hat sich schnell alternative Erdgasquellen erschlossen, in Rekordzeit Flüssigerdgas-Terminals (LNG) gebaut und sein ohnehin schon großes Engagement für erneuerbare Energien und Energiesparmaßnahmen beschleunigt und ausgebaut. Das ist ein großartiges praktisches Beispiel dafür, wie Diversifizierung funktioniert.
Energiepolitik – ein großartiges praktisches Beispiel dafür, wie Diversifizierung funktioniert.
Was können Sie also über Nachhaltigkeit als zentrales deutsches Wirtschaftsthema sagen?
Die Umbenennung des Ministeriums, für das die GTAI arbeitet, vom Ministerium für Wirtschaft und Energie zum Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz spricht Bände. Das Engagement für eine nachhaltige Zukunft ist nun untrennbar mit dem wirtschaftlichen Wohlstand Deutschlands verbunden. Und natürlich mit der Strategie der Diversifizierung.
Dieses Bekenntnis zeigt sich in Gesetzen und staatlichen Förderprogrammen, die von grünem Wasserstoff als Energieträger über Energieeffizienztechnologien wie Wärmepumpen bis hin zum drastischen Ausbau von Wind- und Solarstromkapazitäten sowie Elektromobilität und Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge reichen. Und Umfragen zeigen, dass die deutschen Unternehmen – von den Industrie- und Technologieriesen bis hin zu den KMU, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden – voll hinter dem Übergang zu sauberer Energie stehen.
Technologische Souveränität ist der Schlüssel für das reibungslose Funktionieren einer Wirtschaft wie der deutschen
Ein weiterer Aspekt der Diversifizierung ist die technologische Souveränität. Wie sieht es damit in Deutschland aus?
Technologische Souveränität ist der Schlüssel für das reibungslose Funktionieren einer Wirtschaft wie der deutschen. Die EU ist bestrebt, die Verfügbarkeit von Schlüsseltechnologien und -komponenten unter der Kontrolle des Blocks zu halten, und als geografisches Zentrum der EU ist Deutschland von diesem Trend besonders betroffen. Dies betrifft alles, von Batterien über Mikrochips bis hin zu Solarzellen.
Wie haben sich diese veränderten Prioritäten auf die Aktivitäten der GTAI ausgewirkt, die deutsche Unternehmen bei ihren Geschäften im Ausland unterstützt und internationale Unternehmen bei der Ansiedlung in Deutschland begleitet?
Wenn überhaupt, dann haben die Veränderungen die Werbung für den Wirtschaftsstandort Deutschland erleichtert. Auf der Handelsseite profitiert Deutschland davon, ein zuverlässiger Lieferant von Produkten und Technologien höchster Qualität zu sein. Auf der Investitionsseite sind die Vorteile für internationale Unternehmen, in Deutschland vor Ort zu sein, deutlicher als je zuvor. Die GTAI ist davon überzeugt, dass wir alle durch internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit und Austausch profitieren. Das ist ein Grund, warum wir so froh sind, dass die Hannover Messe zurückgekehrt ist, und wir sind sehr froh, hier zu sein.