Franz Loogen: “Potenzial für eine führende industrielle Position”

Im Gespräch über die Rolle der Wasserstoffwirtschaft für das Bundesland: Franz Loogen, der Geschäftsführer der e-mobil BW GmbH. Die hundertprozentige Tochter des Bundeslandes Baden-Württemberg befasst sich mit Innovationen und neuen Technologien für die Mobilität und Automotive.

Interview: Hans Gäng, August 2023

 

Herr Loogen, wie groß ist das industrielle Potenzial der Wasserstoffwirtschaft?

Wasserstoff hat als Energieträger eine besondere Bedeutung für ein defossilisiertes Energiesystem. Die Nachfrage nach Wasserstofftechnologien wächst weltweit in rasanter Geschwindigkeit. Nach vielen Jahren der Forschung entwickelt sich gerade ein Multi-Milliarden-Markt. Allein bei der Elektrolyse sprechen wir von 230 Gigawatt angekündigter Leistung weltweit für 2030 und haben aktuell weniger als 1 Gigawatt installiert. Wir haben in Baden-Württemberg ein sehr großes Know-how aufgebaut. Aber was wir heute machen müssen, ist aus dieser Kenntnis und Forschungslaborergebnissen jetzt Innovationen und wettbewerbsfähige Produkte zu machen: Wir sind in der Lage die Marktnachfrage zu decken. Wir können skalieren. Das ist gefragt bei Brennstoffzellen für den Schwerlastverkehr, bei Stacks für die Elektrolyse und in vielen anderen Anwendungsbereichen wie in der chemischen Industrie, wo Wasserstoff unverzichtbar ist, um wichtige Prozesse und Produkte klimaneutral abbilden zu können. Wasserstoff kann auch in Wasserstoffderivaten verbunden werden, mal mit Stickstoff oder mal mit Kohlenstoff und komplexeren Ketten wie synthetischen Kraftstoffen, die man unterschiedlicher Art und Weise nutzen kann. Das bedeutet in der Summe: Wenn wir über Wasserstoffwirtschaft reden, reden wir über einen relativ großen und komplexen Systembereich. Es entwickelt sich ein ganz neuer und vielfältiger Markt. Wir sind an einem Wendepunkt. Was auch heißt, der neue Markt ist heute nicht verteilt. Wir können hier in Baden-Württemberg mit all der Intelligenz, mit all den Firmen und all den Forschungsinstitutionen, die wir haben, heute genau darum kämpfen, dass wir eine führende Position auch in der Skalierungsphase einnehmen werden.

Gilt das auch für klassischen industriellen Mittelstand, die Produktionstechnik im Land?

Beim Thema Wasserstoff müssen wir immer drei Perspektiven gleichzeitig denken: Erstens: Die Wasserstoffherstellung mit Verteilung und Infrastruktur – also die Versorgungsfrage. Zweitens die Anwendungsperspektive: Wie kann ich Wasserstoff in Industrie oder Mobilität nutzen, um damit zum Beispiel Maschinen anzutreiben, wenn Elektrifizierung keine sinnvolle Option ist. Und drittens die Technologielieferanten-Perspektive: Für die Versorgung wie für die Anwendung brauchen Sie die richtige Technologie – sprich Maschinen-, mit denen Sie einen Nutzen erzeugen können. Das ist genau die Chance für Fertiger, die Chance für den stark in Baden-Württemberg ausgeprägten Mittelstand. Wer Kompetenzen im Kunststoffspritzguss hat und beispielsweise Peripherien für Leitungen herstellt oder aus dem Druckguss kommt und Gehäuse von Turboladern fertigt, dann kann er dieses Know-how transferieren und auch Gehäuse von Lüftern anfertigen, die in Brennstoffzellensystemen gebraucht werden. Und in diesem sich entwickelnden Markt bestehen gerade für die Mittelständler heute Chancen, stabile Zulieferer zu werden, hier in Europa, aber auch auf dem Weltmarkt.

Wie motivieren und unterstützen Sie Unternehmen, diese Chancen wahrzunehmen?

Für uns ist es ganz wichtig, dass wir das konkret machen. In unserer Aktivität Transformationswissen BW sprechen wir sehr genau und sehr spezifisch mit dem Mittelständler über seine Fertigungstechnologien und wie er sie nutzen kann für die Elektrolyse, die Brennstoffzelle oder Pipelinesysteme. Es geht es darum, dass jeder für sich analysiert, wo die individuellen Chancen für einem Transfer liegen. Dazu unterstützen wir mit einer Wissensdatenbank, mit Schulungen- aber auch damit, dass wir Unternehmen ins Gespräch miteinander bringen, wie man Dinge gemeinsam bauen kann. Im Cluster Brennstoffzelle BW haben wir 240 Unternehmen und Forschungsinstitutionen, die dort einerseits Wissenstransfer betreiben, andererseits aber Wertschöpfungsketten aufbauen. Die Wertschöpfungsketten der neuen Technologien sind noch nicht geschlossen. Unternehmen müssen sich überlegen, wo sie stehen. Dafür brauchen wir Systemintegratoren. Dafür brauchen wir Forschung. Dafür brauchen wir Großunternehmen. Dafür brauchen wir die vielen Mittelständler mit den einzelnen Fertigungstechnologien. Und da sehen wir natürlich auch junge Unternehmen – manchmal Spin- Offs aus Universitäten oder Forschungsinstituten. Die Wasserstoff-Roadmap des Landes setzt auf diese Netzwerkbildung. e-mobil BW koordiniert in Ergänzung zum Cluster Brennstoffzelle BW die Plattform H2BW, auf der alle diese Akteure zusammenarbeiten, um das Kernziel zu erreichen: Baden-Württemberg möchte 2040 klimaneutral sein und sich von fossilen Energieträgern verabschieden. 

Wie attraktiv ist dieser Mix in Baden-Württemberg für internationale Investoren?

Standorte stehen heutzutage weltweit in einem sehr intensiven Wettbewerb. Eine Stärke von uns ist, dass wir sind in der Lage sind, relativ lange und sehr stabile Wertschöpfungsketten. in den neuen Technologien aufzubauen. Aber wir müssen auch auf die Schwächen schauen, an denen wir arbeiten müssen. Da ist insbesondere der Fachkräftemangel zu nennen: Wir haben viel zu wenig junge Menschen, die heute in die MINT-Studienfächer hineingehen. Wir haben auch einfach am Arbeitsmarkt zu wenig Menschen, die spezifisch ausgebildet sind für die neuen Technologien. Dazu scheiden viele Fachkräfte in den nächsten fünf bis acht Jahren aus dem Arbeitsmarkt aus. Unternehmen haben Bedarf an kreativen Köpfen, mit denen wir die neuen Dinge gestalten können. Klagen hilft nie ja, sondern es geht darum, die Ärmel hochzukrempeln und die vielen kreativen Köpfe mit ihren Ideen hier zu entfesseln und junge Menschen zu begeistern für diese Technologien, für diese Studienfächer. 

Was kann eine Veranstaltung wie die hy-fcell für die industriepolitischen Ziele von e-mobil BW leisten, auch im internationalen Kontext?

Nur in der Kooperation mit guten und starken internationalen Partnern kann ein international ausgerichteter Standort hier in den neuen Technologien erfolgreich werden. Die hy-fcell ist für uns eine der wichtigen Veranstaltungen im Jahreskreis, wo sich Menschen treffen, die sich sehr spezifisch mit Brennstoffzellentechnologie und Wasserstofftechnologien beschäftigen. In den Anfängen war es noch so, dass auf der f-cell Forschung und wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn den größten Raum eingenommen hat. Und das hat sich deutlich gewandelt. Das wird man auch jetzt auf der hy-fcell 2023 in den Folgejahren wahrscheinlich noch stärker sehen: Man sucht international Partner, mit denen man kooperiert, Wertschöpfungsketten schließt. Es geht darum, aus Wissen einen ganzen neuen Wirtschaftszweig aufzubauen.  Das neue Präfix, die hy-fcell, bringt das sehr gut zum Ausdruck. Wir haben uns inhaltlich und in der Ausrichtung weiterentwickelt. Unsere Hoffnung ist, dass viele Partner aus der ganzen Welt kommen, die die hy-fcell als Leitveranstaltung wahrnehmen und nutzen.

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