Forschung am Herz der Brennstoffzelle

Ulf Groos vom Fraunhofer ISE über die Rolle anwendungsorientierte Forschung für den industriellen Hochlauf der Brennstoffzelle.

Ulf Groos leitet die Abteilung Brennstoffzellen im Geschäftsfeld Wasserstofftechnologien am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg.  Das Institut betreibt anwendungsorientierte Forschung und unterstützt so die Industrie in ihrem Markthochlauf durch Forschungsdienstleistungen. Groos’ Abteilung kooperiert eng mit Unternehmen im Themenfeld Brennstoffzellen, insbesondere bei der Membranelektroneneinheit, dem elektrochemischen Herz einer mobilen Brennstoffzelle, an.

Herr Groos, wie weit ist der Prozess der Industrialisierung in der Wasserstoffwirtschaft und bei der Brennstoffzelle gediehen?

Die Industrialisierung der Brennstoffzelle hat gerade begonnen und wir stellen seit drei bis vier Jahren fest, dass sich die Auftragslage verbessert und sehr dynamisch entwickelt. Die Kunden aus der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie treten uns quasi die Türen ein, um Forschungsleistungen zu bekommen. Und wir merken, dass die Industrie sehr stark in neue Produktionsstätten investiert, unter anderem um den Markteintritt brennstoffzellenbetriebener LKW vorzubereiten.

Wie begleitet das Fraunhofer ISE diesen Hochlauf?

Unsere Kernkompetenz hier in Freiburg ist die Membranelektroneneinheit (MEA). Ich sage immer ganz gerne: Das ist das elektrochemische Herz einer Brennstoffzelle, also die Komponente, in der die Reaktion stattfindet, in der Wasserstoff mit Sauerstoff zu Strom umgewandelt wird. Wir untersuchen diese Komponente auf Leistungsfähigkeit und auf Alterungseigenschaften unter bestimmten Betriebsbedingungen. Zudem untersuchen wir sie hinsichtlich ihrer Mikrostrukturen. So unterstützen wir unsere Kunden, wenn sie in die Produktion der Komponenten und Elektroden einsteigen, indem wir ihnen sagen können, wie man Tinten herstellt, wie man die Beschichtung realisiert, wie man die nassen Schichten trocknet usw. Wir sind vor vielen Jahren in das Thema Modellierung, also der Beschreibung der Physik der MEA eingestiegen, sodass wir ein sehr gutes Verständnis dafür haben, welche Effekte, welche Phänomene im Betrieb der Membranelektrodeneinheit zu beobachten sind. Es sind sehr detaillierte elektrochemische Methoden, die wir hier anbieten. Dieses Leistungsangebot ist für die Industrie relevant, wenn man an die geplante Skalierung auf große Stückzahlen denkt. Es braucht ein sehr gutes Verständnis für die Komponenten, die man einsetzen will und die auch über die gesamte Lebensdauer durchhalten sollen. 

Wie ist der Bedarf nach dieser sehr anwendungsorientierten Forschung?

In der Tat ist die Nachfrage so groß, dass wir in den letzten fünf Jahren die Personalkapazität, aber auch die Forschungskapazität verdreifachen konnten. Und trotzdem kommen wir mit der Nachfrage nicht hinterher. 

Welche Funktion hat dabei die öffentliche Hand mit ihren Forschungsaufträgen?

Diese Programme und öffentlichen Gelder helfen uns, Vorlaufforschung zu betreiben, zum Beispiel neue Materialien zu untersuchen, die noch nicht marktreif sind, oder neue elektrochemische Untersuchungsmethoden zu entwickeln, die eben noch nicht bei unseren Kunden zum Einsatz kommen können. Wir haben letztes Jahr einen Förderbescheid für den Fraunhofer-Aktionsplan H2GO bekommen. H2GO bündelt die Aktivitäten von 19 Fraunhofer-Instituten mit dem Ziel einer signifikanten CO2-Reduzierung in der Lastenmobilität. Dafür werden wir vom Bundesverkehrsministerium für Digitales und Verkehr gefördert. Neben dem Bund ist es auch das Land Baden-Württemberg, das uns bei Forschungsvorhaben stark unterstützt. Dafür sind wir sehr dankbar.

Welche Rolle können denn die klassischen mittelständischen Unternehmen der Produktionstechnologie in diesen neuen Wertschöpfungsketten einnehmen?

Wesentliche Kunden für uns sind die großen OEMs, die Weltkonzerne in der automobilen oder mobilen Welt, genauso aber auch die ganz großen Zulieferer in diesem Bereich. Nichtsdestotrotz ist auch der Mittelstand eben enorm wichtig, auch für uns. Gerade der stark mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau in Baden-Württemberg ist sehr innovativ. Grundsätzlich werden ganz viele Bauteile einer Brennstoffzelle von den sogenannten Hidden Champions im Mittelstand hergestellt und entwickelt. 

Werden die Fraunhofer-Institute auf der hy-fcell Impulse in dieser Richtung geben?

 

Die hy-fcell  ist seit zwei Jahrzehnten eine der wesentlichen Konferenzen mit begleitender Messe in Deutschland für die Wasserstoff/Brennstoffzellen-Szene. Es kommen nicht nur deutsche Unternehmen dort zusammen, sondern auch international haben die Ausstellung und Konferenz eine gewisse Anziehungskraft, sodass es eine ideale Plattform ist für den Austausch ist. Und ich bin dankbar, dass Fraunhofer eine große Session über zwei Tage organisieren durften, um uns mit dem Fachpublikum auszutauschen und Impulse der Produktionsforschung für die Brennstoffzelle zu geben: Vom Katalysator bis hin zum kompletten Brennstoffzellenstapel schauen wir uns entlang der gesamten Wertschöpfungskette die Möglichkeiten einer Serienproduktion an. Fünf Fraunhofer-Institute werden Ihre Erkenntnisse und Innovationen auf dem Gebiet der Brennstoffzellen Produktion präsentieren. Eine tolle Chance, unsere Erkenntnisse in den Markt zu tragen!

Helfen Ihre Themen denn auch, junge Menschen für die diese zukunftsfähigen Technologien zu begeistern?

Das Thema emissionsfreie Mobilität ist in einem Automobilland wie Baden-Württemberg hochattraktiv und ein interessantes Arbeitsgebiet. Wir konnten bisher unsere Stellen mit kreativen, ambitionierten und exzellenten Forscherinnen und Forschern besetzen. Aber es ist ganz klar, dass Deutschland angesichts der riesigen Transformation, die vor uns liegt, sehr in die Ausbildung investieren muss. Ich glaube, auch für die Industrie ist es wichtig, die besten Köpfe aus aller Welt zu uns zu holen. 

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