Prof. Ferdinand Dudenhöffer: „Neue Strukturen der Kooperation aufbauen”

Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Deutschlands führender Automobilexperte fordert eine langfristig ausgerichtete Industriepolitik – und strategische Kooperationen mit Chinas neuen Technologiegiganten.

Wie schafft die deutsche Automobilindustrie die großen Herausforderungen dieses Jahres?

Wir haben im Moment viele Themen in der Automobilindustrie: Corona, die Elektromobilität, die neuen CO2-Regelungen der EU und die Digitalisierung sind alle gleichzeitig eine große Belastung für die Branche. Um die Hersteller mache ich mir dabei weniger Sorgen. Sie sind gut positioniert. Sorge mache ich mir um die Zulieferer, die so lange Jahre mit Scheuklappen durch die Gegend gelaufen sind. Sie haben sich voll und ganz auf den Verbrennungsmotor konzentriert, der jetzt wegfällt. Jetzt ist das Tal der Tränen da. Die Managementfehler sind gemacht. Die neuen großen Zulieferer sitzen jetzt in China, Korea und Japan. Wenn Bosch noch immer eine effziientere Dieseltechnik vermeldet – dann ist das für mich ein Festhalten an der Vergangenheit.

Dabei gilt es doch in die Zukunft zu blicken. Wir werden die neuen Zulieferer in Deutschland haben. Ob diese dann – außer vielleicht BASF – deutsche Unternehmen sein werden, bezweifle ich. Aber CATL und all die anderen werden, wie einst Opel, Unternehmen in Deutschland sein. Die Frage ist nicht, werden die Zulieferer deutsche Unternehmen sein, sondern mit wem werden die Hersteller arbeiten wollen.

Aber auch die Digitalisierung hat man in Deutschland, wenn man ehrlich ist, verpasst. Da zählt auch SAP nicht mit dem einen Produkt, das sie seit Jahren erneuern. Aber Künstliche Intelligenz, Robotik, die Steuerung komplexer Systeme – das ist in Deutschland nicht vertreten. Das findet man entweder in Kalifornien oder in China, wo Huawei und Tencent in Shenzhen schon lange ein eigenes Silicon Valley aufbauen.

Situation erkannt – was können Unternehmen oder die Industriepolitik tun?

Was tun Sie, wenn Sie sieben Uhr morgens den Zug nehmen wollen, aber der Wecker erst um 7:05 klingelt? Der Zug ist weg. Die deutsche Automobilindustrie hat den Zug verschlafen und muss nun mit den Konsequenzen leben. Der Markt für Batterietechnologie ist vergeben, IT ist von anderen besetzt, die Steuerungstechnologie im Fahrzeug macht Tesla vor. Vielleicht schaffen es die Mittelständler noch am ehesten, in neue Technologien hineinzukommen. Sie arbeiten für die gefährdeten Systemlieferanten, haben aber ihre hohe Kompetenz in der Mechanik bewahrt. Sie werden weiter ihre Teile bauen, während die Tier1 ihre Leute nach Hause schicken. Wer zu spät kommt, bestraft das Leben.

Aber da gibt es doch noch Wasserstoff, Bio-Fuels…

Das ist für mich ein wenig wie die Parole, Freibier für alle. Bei Herrn Kretschmann kann man sehen, dass einfach alles mal so ein bisschen hin und her zu probieren, nichts wird. Als kleines Bundesland Gott spielen und die industrielle Welt neu zu schaffen, mit begrenzten Budgets – das kommt bei den heimischen Unternehmen, für die das gemacht wird, gut an – aber es funktioniert nicht. Was man tun kann, ist: China zu imitieren. Konzentration ist angesagt, wenn man Wettbewerbsfähigkeit aufbauen China hat vor vierzig Jahren angefangen, Elektrochemie zu machen. Darum sind sie heute Weltspitze. Sie haben Elektroautos angefangen, aber massiv. Auch das Silicon Valley ist so entstanden. Wir müssen Themen langfristiger spielen, eine Forschungs- und Industriepolitik auf einen langen Zeithorizont ausrichten.

Unternehmen entlang ihrer Kernkompetenzen für Partnerschaften auszuwählen, nur das macht Sinn.

Und wo liegen aktuell Kooperationspotenziale?

Die OEMs nutzen den chinesischen Markt. VW und Daimler machen das sehr gut. Da gibt es auch neue Kooperationen. Die Akteure sind internationale Unternehmen, die zufällig ihre Headquarters in Deutschland haben – und die suchen sich die Partner heraus, die sie auch morgen für erfolgreich halten. Dazu gehören Technologieführer wie Huawei, die bei 5G einfach Dinge können, die sonst keiner kann. Unternehmen entlang ihrer Kernkompetenzen für Partnerschaften auszuwählen, nur das macht Sinn. Gemeinsam neue Werke für Lithium-Ionen-Batterien bauen zu können, die Werke digital zu machen, zu automatisieren – das ergibt neue Strukturen. Und an diesen großen Projekten sollte man Gründer und junge Unternehmen mitmachen lassen,

Mit dem C-A-R-Institut sind auch Sie in China aktiv. Was haben Sie da vor?

Wir sind an Forschungs- und Industriepolitik unendlich interessiert. Unser Ziel ist, die Welt zu verstehen. Und weil wir sehen, dass die neue Welt in China entsteht, sind wir dorthin gegangen, nicht in die USA. Was von dort kommt, ist old-fashioned. Aus China kommen die Technologie und Spitzenunternehmen von morgen. Wenn man verstehen will, wie neue Technik, Elektromobilität, Digitalisierung funktionieren, dann muss man einfach nach China gehen.

20.04.2021
von Editorial Team
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