Präsenz und Produktion in den Märkten der Welt

Als einer der Marktführer in den Bereichen industrieller Sensorik und Explosionsschutz gehört Pepperl+Fuchs zu den seit langem sehr stark internationalisierten Firmen der elektrischen Automatisierungstechnik. CEO Dr.-Ing. Gunther Kegel ist gleichzeitig ehrenamtlicher Präsident des Verband der deutschen Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI)

Dr. Gunther Kegel sieht für die Elektrotechnik keine Alternative zur Globalisierung – und fordert ein positives Narrativ für industrielle Investitionen.

Herr Dr. Kegel, erleben wir jetzt tatsächlich den geopolitisch bedingten Anfang vom Ende der Globalisierung?

Wir hören in der Tat vor allem von politischen Verantwortungsträgern, dass sie ein Ende der Globalisierung erkennen. Wir können das auf der industriellen Seite aber nicht nachvollziehen. Wir sehen, dass viele mittelständische Unternehmen auf dem chinesischen Markt Erfolg haben, aber auch in Amerika sehr engagiert sind. Für diese Unternehmen ist es schwer vorstellbar, einen dieser Märkte aufzugeben. Globalisierung ist für die Elektrotechnik ja ein ganz alter Hut. Made in Hongkong, Made in Japan – das waren die Label auf den Consumerprodukten der 70- und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Es gibt eben kaum ein anderes Produkt, das sich so schön globalisieren lässt, wie ein elektrotechnisches Produkt. Wir könnten bei Pepperl+Fuchs beispielsweise kein Produkt mehr bauen, wenn wir Rohwaren und Komponenten aus nur einem Handelsraum dazu verwenden dürften. Wir brauchen internationale Zulieferung – aus den USA, aus China, aus Europa. Unsere Industrie ist sehr eng miteinander verflochten, anders als der Maschinenbau, anders als die Softwareindustrie. Um diesen Prozess rückwärts zu drehen, müsste man nicht nur 20 Jahre, sondern 50 Jahre Globalisierung zurückzudrehen. Uns fehlt das Verständnis dafür, warum wir jetzt Dinge vorwegnehmen sollen, die sich politisch vielleicht erst in 10 oder 15 Jahren oder gar nicht abspielen werden.

Pepperl+Fuchs produziert ja nicht in China…

Unser Unternehmen hat nie in China produziert, weil wir mit unseren asiatischen Produktionsstätten in Singapur, Indonesien und Vietnam in der Region bereits erfolgreich etabliert waren. Da wir schon einen sehr großen Umsatzanteil von annähernd 20 Prozent in China erwirtschaften, wollen wir nicht auch noch große Teile unserer Produktion dort allokieren. Als Unternehmenslenker muss man schon darauf achten, nicht zu stark abhängig zu werden. Andere Unternehmen produzieren in China vor allem für den chinesischen Markt. Es gibt aber auch deutsche Unternehmen, die den chinesischen Markt erfolgreich bedienen und gleichzeitig aus ihren dortigen Produktionsstätten den Weltmarkt bedienen.

Es ist schwer, sich heute bereits aufgrund einer negativen Vorahnung von China zu entkoppeln. Wenn die Politik die Unternehmen dazu zwingt, sind sie in aller Regel schneller und kreativer, eine Lösung zu finden.

„ Als Unternehmenslenker muss man schon darauf achten, nicht zu stark abhängig zu werden.“

Die sogenannte “Diversifizierung” der Märkte, das globale Verteilen von Risiken – was für einen Zeithorizont braucht eine solche Strategie?

In China machen Mittelständler 15 bis 25 Prozent ihrer Geschäfte und beziehen im gleichen Maßstab Rohwaren – das zu entflechten, wäre eine echte Herkulesaufgabe, die kaum zu stemmen ist. Man braucht viel Zeit, um das zu tun. Unsere erste Fertigungsstätte in Asien haben wir 1979 aufgebaut. Das ist jetzt 43 Jahre her und das werde ich jetzt nicht über Nacht entkoppeln können. Wenn wir in Singapur, Indonesien und Vietnam produzieren, haben wir damit den chinesischen Marktzugang. Im Falle einer Eskalation verlieren wir somit nur den Marktzugang und keine Produktionskapazitäten in China. Das ist nicht bei allen Firmen so, die eben auch stark in der Produktion investiert sind und die einen sehr großen Ertragsanteil dort erwirtschaften. Da wird eine Entflechtung dramatisch schwerer werden.

Aber geht Globalisierung nicht etwas einfacher? Sind Lieferketten heute nicht viel zu komplex?

Ja, hier sieht man ein deutliches Umdenken. Was man zunächst tun kann, ist die interne Komplexität zu reduzieren, wenn man zu viele Transportvorgänge zwischen einzelnen Fertigungsstätten hat. Aber eben nicht in dem Sinn, wie man das gerade bei Covid gehört hat: “Wir holen die Produkte jetzt zurück nach Deutschland oder Europa“. Das hat in der Elektrotechnik überhaupt nicht stattgefunden und macht auch gar keinen Sinn. Wenn ich meine Produkte aus Vietnam oder Singapur zurück nach Deutschland hole, dann ziehe ich meine Lieferketten wie Gummibänder hinter mir her. Wenn ich je 30 Prozent meiner Rohwaren aus Europa, den USA und Asien beziehe, kann ich nirgendwo so fertigen, dass sich meine Lieferketten verkürzen. Sie werden nur anders ausgerichtet. Dass wir in vielen Ländern fertigen, hat doch Gründe! Erstens sind wir in Deutschland zu teuer geworden, um international wettbewerbsfähige Elektronik zu produzieren. Der zweite Grund war die Nähe zu den sich wirklich schnell entwickelnden Märkten. Und die lagen nun mal jahrelang in China und liegen immer noch in Südostasien. Also muss man einen Teil seiner Strukturen und Wertschöpfung auch in diese Länder bringen. 20 Prozent der Weltbevölkerung leben in China, also wollen wir mittelfristig auch 20 Prozent unserer Geschäfte dort machen. Was ist daran falsch?

„Dass wir in vielen Ländern fertigen, hat doch Gründe! Erstens sind wir in Deutschland zu teuer geworden, um wettbewerbsfähig zu produzieren. Der zweite Grund war die Nähe zu den sich schnell entwickelnden Märkten.“

Thema Lieferkette bei Pepperl+Fuchs: Wie war die Situation in den letzten Monaten?

Wir mussten in den letzten eineinhalb Jahren erhebliche Abstriche an der Liefertreue machen. Aber nicht wegen der Lieferketten. Der eigentliche Schmerzpunkt sind die Chips, die Mikrocontroller. Da sind die Kapazitäten bei weitem nicht so schnell gewachsen, wie die Abnahmemengen. So leben wir bei vielen μ-Controller-Halbleitern noch immer in der sogenannten Allokation: Wir bekommen vom Hersteller gesagt, wie viel wir kriegen können. Das scheint sich ein wenig zu entschärfen, aber wir sind noch weit weg von einer Normalisierung. Das ist ein Effekt, der nur mittelbar durch Corona initiiert worden ist. Wir hatten durch Covid kurzzeitig einen Auftragseingangsrückgang in der Industrie, auch in der Automobilindustrie. Die Halbleiter-Hersteller haben die so freigewordenen Kapazitäten genutzt, um das dramatische Wachstum im Bereich Information, Kommunikation und Consumer-Elektronik abzufangen. Dann sind Ende 2020 Industrie und Autoindustrie zeitgleich wieder aufgesprungen. Die Automobilindustrie braucht viel mehr Chips für die Elektroautos, wir brauchen die gleichen Leistungshalbleiter noch einmal in der Ladeinfrastruktur. In der Industrie ist nach Corona die Digitalisierung in unseren Geräten dramatisch vorangeschritten. Wir sind also mit erheblichen Wachstumswünschen zurückgekommen. Nun waren aber die Kapazitäten komplett belegt und im Halbleiterbereich dauert es eben leider zwei bis drei Jahre, bis eine Investitionsentscheidung zu einer produktiven Foundry für Chips führt. Und diese kostet schnell mal 10 oder 20 Milliarden US-Dollar. Das machen Sie nicht über Nacht. 2021 hat sich also alles aufgestaut. Die Stückzahlen, mit denen wir beliefert wurden, waren bei weitem nicht ausreichend, um unser Wachstum abzudecken. Bei den Mikrocontrollern wird es wohl noch bis Ende 2023 brauchen, bis wir wieder bei der Normalität sind.

Steigende Energiepreise – wie ernst ist die Lage in der Industrie?

Die Lage ist natürlich zunächst einmal von der Energieintensität des Unternehmens abhängig. Für Unternehmen wie wir, die ungefähr ein Prozent Energieintensität haben, ist das sehr ärgerlich, aber nicht existenziell. Für Unternehmen, die 10 bis 15 Prozent Energieintensität haben, heißt das: Da ist kein Ergebnis mehr da, da ist auch kein EBITDA mehr da. Für die Grundstoffindustrien, die jetzt zum Beispiel mit den amerikanischen Konkurrenten zu kämpfen haben, die nur ein Drittel der hiesigen Energiekosten zahlen, ist die Lage existenzbedrohend. Für die energieintensiven Unternehmen werden auch Subventionen schon zu spät kommen. Eine Reihe von ihnen werden sich in andere Länder bewegen oder haben das schon getan. Kleinere Unternehmen werden vom Markt verschwinden. Das ist noch kein Untergang des Abendlandes für die Industrie, aber wenn die Grundstoffindustrie als Inspiration für Innovation und Effizienz nicht mehr da ist, fällt auch für uns ein ganzer Teil Business weg. Unser System ist stark vernetzt. Einen Baustein herauszunehmen, löst im Gesamtgebilde erhebliche Störungen aus. Das reduziert Innovationskraft und verändert die Standortbedingungen negativ. Das ist dennoch keine schlagartige Deindustrialisierung, sondern ein langsamer, wahrscheinlich irreversibler Prozess. Beim Rest der Industrie fördert der hohe Energiepreis Effizienz- und Automatisierungsprojekte. Das ist ein Vorteil für den Maschinenbau, für die Elektrotechniker.

„Unser System ist stark vernetzt. Einen Baustein herauszunehmen, löst im Gesamtgebilde Störungen aus. Das reduziert die Innovationskraft und verändert die Standortbedingungen negativ.“

Wie sehen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit vor diesem Hintergrund?

Die Frage ist nicht: Sind wir wettbewerbsfähig gegenüber Spanien, Frankreich oder Italien? Wir müssen uns auseinandersetzen mit Korea, Japan und China, mit Indonesien und vielleicht demnächst auch mit den Ländern Afrikas. Da verlieren wir an Boden, wenn nicht unsere eigenen Standortfaktoren wie eben Energie, aber auch Arbeitskosten verbessern. Wir brauchen, wie es die Singapurianer immer so schön nennen, mehr „ease of doing business“. Vieles, was sich die EU an Auflagen, Vorgaben und Regulierungen ausdenkt, ist nicht zu stemmen. Die Regulierung im Bereich Lieferketten, der Cyber Security Act, der Data Act werden von uns einen hohen dokumentativen Aufwand erfordern, für den wir die besten Leute einsetzen müssen. Was für schöne Produkte die stattdessen entwickeln könnten!

Brauchen wir denn überhaupt weiter Wachstum wie bisher?

Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft, die viele einfach als gegeben ansehen. In den reichen Ländern Europas, vor allem aber in Deutschland, wächst die Vorstellung, dass man dem Klimawandel vor allem durch Verzicht auf Wohlstand zielführend entgegenwirken kann – durch Wohlstandsrückgang und Konsumverzicht Probleme lösen. Das ist ein Narrativ, das draußen in der Welt nicht funktioniert. Sie können einem Inder oder Chinesen nicht vermitteln, dass wir für uns Wohlstand und Mobilität seit mehr als 50 Jahren selbstverständlich beanspruchen, sein Wunsch nach individuellem Wohlstand, Konsum und Mobilität aber nicht mehr erfüllt werden kann. Das Narrativ muss also heißen: Wie schaffe ich es, allen Menschen Wohlstand und individuelle Mobilität zu verschaffen, ohne den Planeten zu plündern. Mit genereller Elektrifizierung, dem Ausbau erneuerbarer Energien, einer konsequenten Steigerung der Energieeffizienz und dem Aufbau von Kreislaufwirtschaften haben wir die größten Hebel. Etwas zu verbrauchen, das nicht erneuerbar ist, kann für perspektivisch elf Milliarden Menschen keine Wirtschaftsform mehr sein. Nicht mit Sparen und Konsumverzicht, sondern nur mit Innovation und Investition können wir wirklich zu Kreislaufwirtschaften kommen. Dabei können nur wachsende Volkswirtschaften diesen dringend nötigen Umbau überhaupt finanzieren.

„In den reichen Ländern Europas wächst die Vorstellung, dass man dem Klimawandel vor allem durch Verzicht auf Wohlstand entgegenwirken kann. Das ist ein Narrativ, das draußen in der Welt nicht funktioniert.“

 

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