Corona und Krieg belasten Exportaussichten

DIHK World Business Outlook im Frühjahr 2022 bietet nur wenige Lichtblicke

In den meisten Teilen der Welt stellen sich die deutschen Unternehmen auf schlechtere Geschäfte ein. Das geht aus dem AHK World Business Outlook des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) hervor, für den die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) rund 4.200 Mitgliedsunternehmen an ihren Standorten in allen Weltregionen befragt haben. In einigen Ländern gibt es allerdings auch positive wirtschaftliche Entwicklungen.

Laut Umfrage gehen mehr als ein Drittel der Unternehmen (37 Prozent) von einer Verschlechterung der Konjunktur vor Ort aus, mehr als doppelt so viel wie noch im Herbst vergangenen Jahres. „Einen ähnlichen Stimmungsknick hatten wir zuletzt im Frühjahr 2020 erlebt, als der erste Corona-Schock die Weltwirtschaft fest im Griff hatte“, kommentiert DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier die aktuellen Einschätzungen. „Jetzt kommen durch den Inflations- und Kostendruck, den Krieg sowie den anhaltenden Lockdown in Shanghai weitere Verschlechterungen der Standortbedingungen hinzu. Unter dem Strich bedeutet das: Wir müssen uns weltweit auf sichtlich schlechtere Geschäfte einstellen.“

Vor dem aktuellen Hintergrund beurteilen im Befragungszeitraum März und April etwas weniger als die Hälfte der deutschen Unternehmen im Ausland (48 Prozent) ihre aktuelle Geschäftslage noch als gut, eine leichte Verschlechterung als in der Herbstbefragung des Vorjahres. Die Zuversicht der Unternehmen auf das eigene Geschäft im laufenden Jahr erleidet jedoch einen gehörigen Dämpfer, heißt es in einer Mitteilung des DIHK: Der Saldo aus Optimisten und Pessimisten hat sich im Vergleich zur Vorumfrage im Herbst 2021 nahezu halbiert.

Krieg in der Ukraine beeinträchtigt Geschäfte in anliegenden Regionen

Dabei nehmen die auslandsaktiven Unternehmen die konjunkturelle Krise je nach Weltregion sehr unterschiedlich wahr: In Ost- und Südosteuropa (ohne die EU-Länder) sowie Russland und der Türkei beurteilt mehr als jedes zweite deutsche Unternehmen (54 Prozent) die künftige Wirtschaftsentwicklung als schlecht. „Je näher die Unternehmen am Kriegsgeschehen in der Ukraine angesiedelt sind, desto mittel- beziehungsweise unmittelbarer spüren sie die Auswirkungen des Krieges und der damit verbundenen Sanktionen“, so Treier. In der Eurozone sind es immerhin 41 Prozent, die die Konjunkturentwicklung an ihrem Standort negativ bewerten. Bei der Ländergruppe aus den sonstigen EU-Staaten sowie Großbritannien, Schweiz und Norwegen sind es sogar knapp die Hälfte (47 Prozent). Vor allem steigende Rohstoff- und Energiepreise drücken die Erwartungen bei jeweils rund zwei Drittel der in Europa angesiedelten deutschen Unternehmen. Weltweit sind das immerhin noch 55 Prozent respektive 46 Prozent. Darüber hinaus klagt gut jedes zweite Unternehmen (53 Prozent) über anhaltende Störungen in den Lieferketten, in China und Nordamerika ist der Anteil sogar noch höher.

Am besten schneidet noch Nordamerika ab, hier sieht sogar gut ein Drittel (36 Prozent) der Unternehmen positiv auf die Konjunktur – gefolgt von Süd- und Mittelamerika (29 Prozent). Entsprechend hoch sind die Investitionsabsichten der deutschen auslandsaktiven Unternehmen in diesen Märkten im Vergleich zu anderen Regionen. Insgesamt aber streichen die Unternehmen an vielen Orten ihre Investitionen aufgrund der weltwirtschaftlichen Unsicherheiten zusammen.

Unternehmen stellen Standorte und Lieferstrategien infrage

Bei den Standortentscheidungen und Lieferstrategien wirkt sich die veränderte Weltlage ebenfalls aus. In der Umfrage gibt ein Drittel der Unternehmen an, ihre internationalen Standorte derzeit auf den Prüfstand zu stellen. Mehr als ein Drittel sieht die Notwendigkeit, aufgrund der aktuellen globalen Verwerfungen die Risiken von neuen Standorten gänzlich neu zu bewerten. Auch sehen 34 Prozent der weltweit aktiven deutschen Unternehmen eine Zunahme von politischem Einfluss auf die Lieferketten auf sich zukommen. Die Umfrage zeigt auch, dass mehr als ein Viertel der weltweit vernetzten Unternehmen sein Lieferantenportfolio auch über Regionen hinweg vergrößern will und dass mehr als ein Fünftel eine Verlagerung von Produktion an neue Standorte als notwendig ansieht. „Bei Entscheidungen über Lieferanten, Transportwege und Produktionsstandorten müssen Betriebe neben rein betriebswirtschaftlichen Faktoren nunmehr immer stärker politische Risiken berücksichtigen“, sagt Treier. Deshalb spiele beispielsweise auch der unterschiedliche Umgang von Staaten mit der Corona-Pandemie eine Rolle. Der seit Wochen andauernde strikte Lockdown in China hat etwa dazu geführt, dass derzeit knapp die Hälfte der dort ansässigen deutschen Unternehmen (47 Prozent) sich gezwungen sieht, ihre Standorte zu überdenken. Jedes achte Unternehmen erwägt sogar, das Land zugunsten eines Standortes näher am europäischen beziehungsweise deutschen Heimatmarkt zu verlassen. Hinzu kommt der zunehmende Protektionismus des Landes, den etwa jedes zweite in China ansässige deutsche Unternehmen (56 Prozent) langfristig erwartet. „Am Beispiel China sehen wir, dass Unternehmen ihre Standortentscheidungen nicht über Nacht fällen. Es braucht meistens Jahre, sich hier zu etablieren und bei der Größe des Landes fällt eine Verlagerung umso schwerer. Desto erstaunlicher ist das Umfrageergebnis“, sagt Treier.

Ein weiterer Faktor sind die anhaltenden Störungen der Lieferketten: Ein Drittel der deutschen Unternehmen im Ausland fühlt sich durch veränderte politische Einflussnahme auf die Lieferketten zum Überdenken des Auslandsgeschäfts gezwungen. „Wer jetzt noch nicht den Schritt ins Ausland gewagt hat, tut sich in absehbarer Zeit sehr schwer, ihn zu machen”, erwartet der DIHK-Außenwirtschaftschef. Gleichwohl bietet die Neuausrichtung der Lieferketten eine erfolgsversprechende Chance neue Bezugsquellen und Absatzmärkte zu erschließen.

Einer Renationalisierung von Wertschöpfungsketten erteilt Treier eine Absage: „Es ist aus betriebs- wie auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive richtig und wichtig, Standorte und Transportwege anzupassen. Es ist aber ein Trugschluss, dass es einem Land wie Deutschland zum Vorteil gereicht, wenn es sein internationales wirtschaftliches Engagement zurückdreht. Wenn wir unseren Wohlstand halten oder ausbauen wollen, müssen wir gerade jetzt stärker in die Welt hinaus. Wir werden weder alles, was wir brauchen selbst herstellen können, noch genug erwirtschaften, wenn wir unsere Produkte nur an uns selbst verkaufen.”

12.05.2022
von Stéphane Itasse
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