“O wie schön ist Kanada” titeln die Zeitungen. Wie weit ist Deutschland von noch entfernt von der Attraktivität dieses Ziellands für die Fachkräfte?

Unsere Unternehmen sind für gut ausgebildete internationale Fachkräfte durchaus attraktiv. Allerdings sind unsere Zuwanderungsverfahren oft zu kompliziert, zu bürokratisch und dauern zu lange. Hier müssen wir schneller und digitaler werden. Insgesamt kann die fehlende Digitalisierung in vielen Lebensbereichen Fachkräfte aus dem Ausland ebenso abschrecken wie hohe Steuer- und Sozialabgaben und der vielfach knappe und teure Wohnraum. Ohne ausreichende Deutschkenntnisse ist es für internationale Fachkräfte oftmals schwierig. Daher wäre es hilfreich, wenn man zum Beispiel die ersten Behördenkontakte für die Einwanderung auch auf Englisch abwickeln könnte. 

Bei welchen der jüngst beschlossenen Maßnahmen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes kommt es jetzt auf eine effiziente Umsetzung an? Was fehlt?

Es ist wichtig, dass die Regelungen möglichst einfach und transparent sind, damit auch kleine Betriebe sie verstehen und so ebenfalls von der Fachkräftegewinnung im Ausland profitieren können. Viele Ideen der Regierung gehen in die richtige Richtung. Da wäre es schade, wenn es an der Umsetzung scheitert. So ist eine leichtere Zuwanderung zur Arbeitsplatzsuche ein guter Ansatz. Das Punktesystem über die Chancenkarte birgt aber die Gefahr neuer Bürokratie, gerade wenn das die ohnehin schon oft überlasteten Ausländerbehörden managen sollten.      

Welche “Hausaufgaben” haben Unternehmen in Sachen Willkommenskultur zu machen, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Viele Unternehmen machen hier schon viel. Es gibt zum Beispiel Beschäftigte, die als Mentoren im Betrieb, neuen Kolleginnen und Kollegen bei der Integration helfen. Auch unterstützen Betriebe beim Spracherwerb oder der Wohnungssuche. Da viele Fachkräfte aus dem Ausland noch nicht so gut deutsch sprechen, müssen Betriebe hier realistisch sein. Wichtig ist aber auch, dass die Betriebe ihrerseits beim Thema Integration ihrer Beschäftigten Unterstützung finden. Hier können beispielsweise Welcome-Center in der Region einen wichtigen Beitrag leisten.  

Wie sehen Sie es: Gilt der “war for talents” nicht auch für die Auslandsstandorte der deutschen Unternehmen?

Die im Ausland tätigen deutschen Unternehmen stehen auch in einem Wettbewerb um Talente mit lokalen und ausländischen Firmen. Deutsche Arbeitgeber genießen aufgrund ihrer traditionellen Stärken wie langfristiger Planung, sozialer Absicherung sowie ihrer Investitionen in Aus- und Weiterbildung eine hohe Anerkennung bei Fachkräften. „Make it in Germany“ hat weiterhin eine starke Anziehungskraft. Für hochqualifizierte Fachkräfte mit akademischer Ausbildung gibt es die sogenannte Blaue Karte, die eine Arbeitserlaubnis für die gesamte EU bedeutet. Deutschland vergibt mittlerweile bis zu 95 Prozent aller europäischen Blauen Karten.

Wie unterstützen DIHK und Auslandshandelskammern (AHKs) vor Ort bei der Rekrutierung von Fachkräften?

Seit Jahren rekrutieren die AHKs Fachkräfte für deutsche Unternehmen vor Ort. Laut unserer jüngsten Umfrage wird eine Personalvermittlung an mehr als 20 Standorten angeboten. Einige AHKs haben darüber hinaus bereits Erfahrung in der Fachkräfterekrutierung für den deutschen Arbeitsmarkt gesammelt. Die DIHK unterstützt das mit Projekten, die Fachkräfte auf dem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt von der Beratung bis zur Integration in den Arbeitsmarkt begleiten. 

 

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner